#274 Verhaltenswissenschaft an der Börse: Wie unsere Psyche uns das Sparen erschwert | Interview mit Dr. Thomas Mathar
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Wie Deine Psyche Dein Geld sabotiert!
Dr. Thomas Mathar ist nicht nur ein Hamburger Jung, sondern auch studierter Sozialanthropologe. Als führender Experte für Verhaltensforschung befasst er sich mit Themen wie “Geld und Altern”. Warum ist Börse so herausfordernd (Stichwort Trader Mentalcoaching), und wie können wir besser mit dem Stress umgehen? Seine Erkenntnisse teilt Thomas regelmäßig in Vorträgen, um Menschen dabei zu helfen, fundierte finanzielle Entscheidungen zu treffen. Außerdem arbeitet er bei EGON UK, einem Investitionsanbieter in Großbritannien (4 Mio. Kunden und es werden 350 Milliarden Euro verwaltet) und kümmert sich dort mit seinem Team auch darum, Menschen zu helfen, bessere langfristige finanzielle Entscheidungen zu treffen. Neben der Forschung hat Thomas zum Thema auch bereits zwei Bücher veröffentlicht. In dieser Folge teilt er nun sein Expertenwissen mit Dir.
Auf diese Fragen bekommst Du in der Folge eine Antwort:
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Was macht sparen so kompliziert?
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Lohnt sich die Investition in sich selbst?
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Ablenkungen widerstehen und den Fokus behalten
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“Ich brauche gar nicht so viel Geld”: Das persönliche finanzielle Wohlbefinden
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Die Psychologie der Gier: Wie gewonnen, so zerronnen
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Thematischer Exkurs aus aktuellem Anlass: Die Konsequenzen der US-Wahl
Was macht sparen so kompliziert?
Für Thomas Mathar ist eine langfristige Finanzplanung in erster Linie ein mentales Problem. Die finanzielle Problematik sowie das mangelnde Wissen stehen an zweiter Stelle:
“Emotionen, Instinkte und auch der soziale Kontext (sowie Sorgen und Wünsche im sozialen Umfeld) bestimmen maßgeblich, wie wir uns finanziell verhalten.”
Es ist also von großer Bedeutung, wie und wo wir aufwachsen und welche Dinge unser Umfeld umtreiben. Dabei spielt die eigene finanzielle Situation noch gar keine so große Rolle.
Für mich ist die einfachste Regel zum Vermögensaufbau/Geld sparen: Gib weniger Geld aus, als Du besitzt. Das ist eine rational eigentlich einfache Sache und der Wunsch vieler Menschen ist es, Geld zu besitzen. Warum ist das also für viele so schwer umsetzbar?
Thomas bestätigt meine Einschätzung - seine Umfragen innerhalb Deutschlands zeigen deutlich, dass 80 % der Menschen wissen, dass sie Rücklagen brauchen, budgetieren müssen und sich um ihre Altersvorsorge kümmern sollten. Das mangelnde Wissen ist also gar nicht so das Problem. Scheitern tut es für Thomas am mangelnden Warum.
“Das mangelnde Wissen ist nicht das Problem, eher die mangelnde Motivation. Man muss den Menschen das Warum beibringen.”
Für Thomas baut man das Vermögen nicht um des Vermögens Willen auf, sondern der Lebensfreude und Freiheit wegen. Deshalb sei es wichtig, den Menschen zu helfen, ihre eigenen intrinsischen Motivationen besser zu verstehen. Kurz und bündig fasst Thomas das so zusammen: “Geld ist eine Zutat für ein schönes Leben. Es ist nicht die einzige, wie bei einem Brot: Man braucht nicht NUR Mehl, nicht NUR Salz usw. Das ist Geld für ein langfristig schönes Leben.”
Thomas betont außerdem, dass es hilfreich ist, das Gesamtkonzept “mein schönes Leben” zu begreifen. Geld alleine macht nicht glücklich, es kann jedoch helfen, Wünsche und Bedürfnisse sorgenfrei umzusetzen. Deswegen ist Geld eine der Zutaten. Wenn man das verstanden hat, könnte man Ankerpunkte finden und begreifen, wie das Geld dort hineinpasst.
Lohnt sich die Investition in sich selbst?
Wenn Wissen nicht der Hauptfaktor ist, an dem die Finanzplanung scheitert, möchte ich natürlich von Thomas wissen: Lohnt sich denn dennoch die Investition in sich selbst?
Thomas betont, dass es hauptsächlich um Selbstwissen geht: Wir haben irgendwann vor 150 Jahren die Lebensplanung etabliert, dass es eine Ausbildung gibt, darauf die Arbeit folgt und irgendwann endet das Modell im Ruhestand. Heute gibt es zwar immer noch (in der Regel) eine Ausbildung zu Beginn und einen Ruhestand am Schluss, dazwischen herrscht jedoch viel mehr Chaos.
Schon lange haben wir nicht mehr nur einen Arbeitgeber. Wir haben auch häufig nicht mehr nur eine Karriere. Zwischen den einzelnen Karrieren gibt es Übergangsphasen, weil Menschen beispielsweise das Interesse am Job verlieren, KI unseren Job ersetzt, ein Sabbatical gewünscht wird oder Kinder kommen. Auch die Pflege von älteren Angehörigen kann eine Rolle spielen. All das macht die Lebensplanung heute schwieriger und deshalb spricht Thomas von “Selbstwissen als Vermögenswert”.
Weitere Vermögenswerte sind neben Klassikern wie dem Einkommen dann Themen wie Gesundheit. Und diese Entwicklung macht es so relevant, dass man ein Verständnis dafür entwickelt, was einen im Leben glücklich macht. Der zweite Punkt ist dann zu wissen, was man anstrebt und als Drittes nennt Thomas “die Mechanismen im Alltag, die einen davon abhalten, sich mit all diesen Dingen zu beschäftigen.” Das können Sachen wie der Einzelhandel sein, unser Umfeld oder auch, wie Telefone heute unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Ablenkungen widerstehen und den Fokus behalten
Dinge wie das Smartphone, Nachrichten etc. lenken ab, darüber brauchen wir nicht zu sprechen. Doch behindern diese Dinge manche Menschen auch, sich um die wirklich wichtigen Dinge zu kümmern? Laut Thomas sind das auf jeden Fall Faktoren. Zwar könne man Notifications beispielsweise abstellen, allerdings nutzt sogar der Einzelhandel so seine verhaltenspsychologischen Tricks. Viele Plattformen agieren schon seit langem mit einfachen Kniffen, um Menschen per sofort an sich zu binden: “jetzt kaufen” oder “nur noch 5 verfügbar” - die klassische künstliche Verknappung - verkünden Kundinnen und Kunden regelmäßig, dass es vermeintlich zu spät ist, wenn man sich Zeit lässt.
Es gibt auch gute Gründe, warum Webseiten ihre User längstmöglich aufhalten wollen - denk nur mal an das “User die kauften, kauften auch”. Auch Angebote und alle anderen Ablenkungen von außen sind Faktoren, gegen die Du Dich nur schwer wehren kannst. In dem Moment braucht es ein Verständnis davon, “was diese Mechanismen mit uns machen”, um die FOMO auszuhalten.
Mir selbst fällt dazu das Beispiel der Anonymen Alkoholiker ein: Du trinkst heute nicht. Wenn Du das geschafft hast, trinkst Du morgen nichts. Wenn Du das geschafft hast, dann trinkst Du übermorgen nichts. Man muss sein Ziel auf kleine Schritte herunterbrechen. Genauso ist es mit der Altersvorsorge - man kann schnell in Panik verfallen, wenn man aus der Uni kommt und mit Ende 20 vor Augen hat, dass man die nächsten 45 Jahre mehrere hundert Euro im Monat sparen sollte.
Auch Thomas rät dazu, sich schrittweise anzuschauen, was man heute, morgen, nächsten Monat oder nächstes Jahr umsetzen kann.
Ein weiterer Tipp von Thomas: Faustregeln. Eine seiner liebsten:
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Die 50-30-20-Regel: 50 % des Nettoeinkommens gehen auf die alltäglichen Kosten, 30 % für Dinge, die das Leben heute schön machen (Ferien, Weihnachtsgeschenke, Essen gehen z.B.) und 20 % sorgen dafür, die eigene finanzielle Situation zu verbessern - allem voran Dinge wie Schuldenabbau, Notgroschen etc.
Tatsächlich gibt es laut Thomas ein großes mentales Missmatch zwischen Finanzdienstleistern und den “normalen” Menschen: Während Finanzdienstleister und auch Menschen wie Thomas und ich problemlos in 5, 10, 20 Jahres-Abschnitten denken können, was die Finanzplanung angeht, sind normale Menschen schon damit überfordert sich vorzustellen, was sie nach Weihnachten oder nächsten Sommer tun.
Ein kanadischer Forscher fand heraus, dass Menschen bei der Aufgabe, sich ihr zukünftiges Selbst in 10 oder 15 Jahren vorzustellen, die Areale im Hirn aktivieren, die Informationen über Fremde verarbeiten. So weit weg ist für viele die Vorstellung. Thomas fasst das ganz treffend zusammen: “Menschen zu sagen, investiere in Deine Zukunft, ist wie Menschen zu sagen, gib Dein Geld einem Fremden auf der Straße.” Doch es gibt wohl Hoffnung - der mentale Zeithorizont ist trainierbar. Spitzensportler beispielsweise trainieren regelmäßig ihre Vorstellung von der näheren und ferneren Zukunft. Dieser Blick aufs große Ganze in Verbindung mit dem Warum des Einzelnen hilft laut Thomas sehr gut dabei, innere Widerstände zu überwinden.
“Ich brauche gar nicht so viel Geld”: Das persönliche finanzielle Wohlbefinden
Ich habe oft in meinen Seminaren die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen gar nicht in Millionenbeträgen denken, wenn es um die finanzielle Freiheit geht. Persönlich reicht vielen ein Netto von vielleicht 10k im Monat statt großem, unüberschaubarem Reichtum. Auch Thomas’ Erfahrungen mit verschiedenen Forschungen bestätigen das: Die Zufriedenheit der Einzelnen korreliert mit der Höhe des Einkommens. Das Wohlbefinden des Einzelnen an sich peakt jedoch schon früher und nimmt graduell sogar eher wieder ab, wenn das Einkommen weiter steigt.
Begründet liegen die Ergebnisse der Forschung in der allgemeinen Reaktion: Wenn wir gefragt werden, wie glücklich wir sind, denken wir häufig auch an unsere finanzielle Situation. Wohlbefinden an sich ist jedoch auch an Faktoren wie Freizeit, Zeit mit der Familie und Gesu